Toanum

Die Flidox Story

Interview mit dem Erfinder Tobias Fink geführt von Franziska Breil

„Wissen Sie Herr Fink, das Ganze ist schon seit 40 Jahren ein Thema in der Branche – das geht aber nicht aus Kunststoff!”

Tobias, wie bist Du auf die Idee gekommen, ein Deckelhebepedal für Mülltonnen zu entwickeln?

Die Grundidee kam mir aus meinem persönlichen Bedarf. Ich nehme gerne den Abfall beim Verlassen des Hauses mit. Meistens habe ich die Hände voll und instinktiv will man die Tonne nicht gerne anfassen.  Viele Tonnen, nicht meine (lacht), die im freien Stehen sind über die Jahre ja richtig eklig. Was bei Bad- und Küchenabfalleimern seit Jahrzehnten Standard ist, hatte sich bisher bei den Hausmülltonnen noch nicht durchgesetzt. Als Designer und Ingenieur kann ich dann gar nicht anders, als dieses Problem zu lösen. Eineinhalb Jahre später und 25 Prototypen weiter war Flidox geboren.

 

Das klingt nach viel Arbeit und Durchhaltevermögen. Was waren die Herausforderungen bei der Entwicklung? Gab es einen Punkt, an dem Du aufgeben wolltest?

Es war zeitweise verzwickt, aber sowas spornt mich dann umso mehr an. Die große Herausforderung war die Vielzahl an unterschiedlichen Tonnenvarianten auf dem Markt. Die Tonnen entsprechen zwar alle einer Norm, jedoch sind Behälterhöhen, Deckelformen, Griffdurchmesser, Achsdurchmesser usw. sehr unterschiedlich. Phasenweise war es so, dass ich immer, wenn ich in eine andere Stadt oder Gegend kam, mir ständig die Mülltonnen ansah, fotografierte, dokumentierte und meine Prototypen daran ausprobierte. Ich habe bei der Recherche schnell festgestellt, dass ich nicht der Erste bin, der sich mit diesem Thema beschäftigt hat. Alle Systeme, die es jedoch bis dahin gab, waren Metallgestänge, die nur auf wenige Tonnentypen passten und durch Bohren und Schrauben fest an die Tonne montiert wurden und die Tonne sogar beschädigten. Meist waren diese Systeme teurer in der Herstellung und Anschaffung als die Tonne selbst. Durchgesetzt hat sich keines davon. Ich sehe Flidox als zukünftigen Standard an allen Tonnen!  

"Ich sehe Flidox als zukünftigen Standard an allen Tonnen!"

Wie hast Du es gelöst?

Nun, mein Ansatz war von Anfang an, dass das Produkt für jeden Haushalt einfach nachrüstbar sein sollte und im Idealfall aus demselben Material besteht wie die Mülltonne und somit kostengünstig im Spritzgussverfahren hergestellt werden kann. Es muss dauerhaft an der Tonne bleiben können und der Müllwagen darf keine Probleme haben, die Tonne zu leeren. Ich stellte fest, dass trotz der Menge verschiedener Tonnen, jede Zweiradmülltonnen zwei natürliche Drehachsen Möglichkeiten besitzt. Am Rad und am Griff! Da habe ich angesetzt.

Warum war Dir die Materialgleichheit zur Mülltonne so wichtig?

Mülltonnen bestehen aus PE HD, das ist ein extrem verbreiteter Standardkunststoff, der sehr gut auch z.B. bei niedrigen Temperaturen seine Eigenschaften behält und zäh ist. Deshalb bestehen auch Mülltonnen daraus. Damit sie im Winter nicht brechen. PE HD ist auch wunderbar recyclebar. Man kann im Grunde aus alten Mülltonnen neue Flidox spritzen.

Hattest Du während der Entwicklungszeit denn Kontakt zu Mülltonnenherstellern?

Ja, ich hatte mit drei großen Playern der Branche zu tun. Alle waren interessiert, aber auch skeptisch. “Wissen Sie Herr Fink, das Thema ist schon seit 40 Jahren in der Branche aktuell – das geht aber nicht aus Kunststoff” habe ich im Grunde von allen gehört. Mir kam es so vor, als ob es die Branche auch nicht gewohnt sei, mit externen Entwicklern zusammenzuarbeiten. Der Branche ging es zu der Zeit leider auch nicht besonders gut, dadurch war keine Investitionsbereitschaft in Werkzeuge vorhanden. Das verdarb mir etwas die Freude, aber ich machte einfach weiter. Als die Entwicklung fertig war, hatte ich diese Kontakte schon hinter mir gelassen und hatte neue Pläne. 

 

Und welche Pläne waren das?

Das Produkt mit einem befreundeten Geschäftspartner zu produzieren und auf den Markt zu bringen. Ich kannte Mark Krümke schon etwa seit sieben Jahren durch ein anderes Produkt von mir, den Trinkfreund, für den er mir die Lanyards organisierte. Mark lebt in Shanghai und ist mit seinem Unternehmen Experte darin, Produkte in China produzieren zu lassen. Er verfügt über ein riesiges Netzwerk an Herstellern für alles, was man sich nur vorstellen kann. Wir hatten uns immer mal wieder getroffen, wenn er in Europa war – zum freien Austausch von Gedanken und Projekten. Ich zeigte ihm Flidox und er war sofort begeistert. Wir beschlossen sofort, das machen wir einfach zusammen. 

Habt ihr eine Firma zusammen gegründet oder wie ging es dann weiter?

Das haben wir eine ganze Weile hin und her überlegt. Wir sind dann letzten Endes zu dem Entschluss gekommen, dass es das eleganteste für uns beide ist in einer Form Joint Venture zusammenzuarbeiten. 

Wie ging es dann weiter?

Dann gingen erst einmal die Patentierung und die Designschutzthemen los. Flidox ist durch zwei Patente, Geschmacksmuster und natürlich Markenrechtlich geschützt. Mark machte sich dann an die Arbeit, einen geeigneten Spritzgießer zu beauftragen, ein Prototypenwerkzeug zu erstellen und Erstmuster herzustellen.

Ich dachte, Du hattest schon Prototypen?

Ja, aber die habe ich aus Vollmaterial in meinem Atelier mittels CNC-Fräse gefertigt. Hier ging es jetzt darum, die Massenherstellbarkeit des Ganzen zu prüfen und zu schauen, dass alle Teile ineinander passen und wir viele Muster bekommen, um auch alles intensiv in Versuchshaushalten testen zu können.  

Ich verstehe. Wie waren dann die ersten Stück? Es ist sicher toll, so ein Produkt das erste Mal vor sich zu haben?

Die ersten Muster waren schon gut, aber optimierungsbedürftig. Das ist ganz normal in so einem Prozess. Insgesamt drehten wir fünf Überarbeitungsrunden am Werkzeug, von Anspritzpunktversetzungen bis Toleranzanpassungen und Geometrieverfeinerungen. Jeden Entwicklungsloop testeten wir immer sofort in unseren Testhaushalten, da wir von den neuen Mustern immer gleich ein paar Hundert machen ließen. Verwandte, Freunde und Bekannte erhielten immer wieder neue Flidox „Erlkönige“ und wir ließen sie in allen möglichen Regionen der Welt auf Herz und Nieren im Alltag testen. So sind auch ganz viele Sonderfarben entstanden. Dieser ganze Prozess dauerte ungefähr zweieinhalb Jahre, da wir ja sehen wollten, was passiert mit den Flidox im Sommer und im Winter. Das Tolle war, dass sobald ein Testhaushalt  Flidox an seinen Tonnen hatte, die Nachbarschaft immer auch gleich welche wollte. Wir waren dann recht großzügig und wurden immer wieder gefragt, wann man die Teile denn nun endlich kaufen könne. Wir wollten unbedingt, dass Flidox auch langfristig die Menschen zufriedenstellt. Eine Tonne hat man im Schnitt 15 bis 20 Jahre…

Das klingt sehr gewissenhaft….

Ja, sowas ist mir ein persönliches Anliegen, ich stehe mit meinem Namen hinter dem Produkt. In jedem Projekt wäre es für mich eine Schande, nicht das Bestmögliche abzuliefern. Ich kann nicht nachvollziehen, warum Unternehmen ihr kostbares Marken und Qualitätsimage durch Produktversagen nach der Garantiezeit aufs Spiel setzen. Das ist viel zu kurzfristig gedacht. Aufgrund der Materialreinheit ist Flidox nachhaltiges Produkt. Es lässt sich wunderbar recyclen. Das letzte was geschehen sollte ist, dass kaputte Flidox im Meer landen. Dann bitte Schreddern und was anderes daraus spritzen!

"Es lässt sich wunderbar recyclen!"

Wie ging es dann weiter, nach den zwei Jahren? Markteinführung?

Nein, dann wollten wir das Ganze noch einmal offiziell bestätigt haben und beauftragten das Prüfinstitut Hanse Control damit, Flidox mehreren Belastungstests zu unterziehen. Es wurden dann mehrere 10.000 Zyklen Tests durchgeführt. Also ein Hydraulikzylinder drückte 10.000 Mal aufs Pedal an unterschiedlichen Tonnen. Das überlebte Flidox problemlos (lacht). Dann folgte unsere Verpackung, bei der wir ebenfalls alle möglichen Varianten entwickelten und probierten, bis wir letztlich beim kostengünstigen Beutel landeten. 

Mark startete mit dem Verkauf über Amazon FBA. Ich kümmerte mich um den Aufbau der Website und den Onlineshop und die passende Warenwirtschaft im Hintergrund. Parallel bauen wir gerade ein Händlernetz aus klassischen Haushalswarengeschäften auf. Tja, und nun haben wir passend zur breiten Markteinführung einen RedDot gewonnen.

Ja nochmals herzlichen Glückwunsch! Design und Mülltonne bringt man ja nicht unbedingt sofort zusammen.

(lacht) Ja, das stimmt, aber das finde ich auch das Tolle daran. Es geht ja nicht darum, dass irgendetwas einfach nur hübsch ist, sondern eben ein solides, gut konzipiertes und gestaltetes Produkt ist. Die Kriterien, die erfüllt sein müssen, sind da sehr umfangreich. Flidox ist vollkommen nackt, die Technik kann sich nicht verstecken hinter einem Gehäuse. Es war mir von Anfang an wichtig, und das war auch die Challenge, dass jedes Einzelteil wie aus einem Guss des Gesamten wirkt, und das ist mir denke ich sehr gut gelungen. Zudem spielt diese herausragende Gestaltungsqualität in die tadellose Funktion vollkommen hinein.

 

Wie geht es weiter mit dem Flidox, in Zeiten von Covid-19 ist ein „Nicht anfassen“ ja gerade sehr im Trend.

Ja, absolut! Bisher fanden die Menschen Flidox vor allem aus Bequemlichkeits- und Ekelaspekten toll. Nun könnte man damit sogar einer konkreten Ansteckung entgegenwirken, denn die Zweirad-Mülltonnen werden auch im öffentlichen Raum eingesetzt, z.B. auf Rastplätzen, vor Supermärkten, generell auf Märkten. Die Viren leben mindestens 16 Stunden auf PE HD. Wenn also zuvor eine infizierte Person den Deckel angefasst hat, dann ist die Gefahr einer Infizierung durchaus gegeben. Viele Menschen greifen ja auch unbewusst an den Deckel. Ich denke, da ist auch Sensibilisierung notwendig.

 

Ich bedanke mich für das Interview!

Danke ebenfalls!

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